Die Preisträger_innen 2014

Die Preisträger_innen des Deutsch-Französischen Jugendliteraturpreises 2014 sind Finn-Ole Heinrich und Ran Flygenring aus Deutschland und Gaia Guasti aus Frankreich.

Am 23. Mai 2014 wurde zum zweiten Mal der Deutsch-Französische Jugendliteraturpreis in Saarbrücken verliehen. Unter der Schirmherrschaft der Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit wurde der Preis in der Kategorie „Erzählendes Kinderbuch“ auf der 14. Europäischen Kinder- und Jugendbuchmesse vergeben und die drei jungen Preisträger der Öffentlichkeit vorgestellt.

 

 

Programm der Preisverleihung  

 


Finn-Ole Heinrich & Ran Flygenring

Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt

Hanser Verlag | ab 10 Jahre

 

Finn Ole Heinrich

Ran Flygenring

F Heinrich Maulina Schmitt

„Als Sprachakrobat erweist sich Finn-Ole Heinrich, spielt mit Worten, erfindet neue, treibt die Sätze mit einer solchen Heftigkeit über die Seiten, dass sie adäquat das Innenleben der Protagonisten widerspiegeln. Von bloßer Illustration weit entfernt, führen Rán Flygenrings Bilder den Text eigenständig fort und verschmelzen von Seite zu Seite mit Heinrichs Text zu einer symbiotischen Einheit. Eine Geschichte, die trotz großer Poesie harte Wirklichkeit zeigt.“

Laudatio | Dr. Stefan Hauck

Schwere mit Leichtigkeit erzählt

Contenance – in dieser Tugend des ergebenen Akzeptierens widriger Umstände mussten sich Generationen von Kindern üben, was auch die Kinderliteratur früherer Zeiten als erstrebenswertes Ideal postulierte. Nicht so die Heldin unserer Geschichte, die unter Dampf steht: „Und das ist überhaupt die größte Gemeinheit, dass der Mann alles kriegt und wir nur ein Plastikhaus in einer Scheißstraße mit lauter Nachbarn, die sogar zu alt sind, um einem noch schwungvoll den Buckel runterzurutschen. Das verstößt gegen alle Logik, wir sind zu zweit, er ist allein, das gebietet doch die heilige Gerechtigkeit von zwei zu eins, dass er seine Sachen packt und sich vom Acker macht und nicht Mama und ich, das verstehe ich nicht.

Und wenn ich darüber lautstark maule, dann lächelt Mama nur ihr Mama-Lächeln und macht Kakao und sagt, ich solle mich beruhigen, und sie streichelt meinen Kopf und sagt, ich würde mich schon an die neue Wohnung gewöhnen, das sei alles in Ordnung, aber nichts ist in Ordnung, da kann sie eimerweise Kakao kochen, das ist einfach alles so ungerecht und gemein. Ich liege da und glotze in den Himmel und fühle es kommen: wie der Maul sich breitmacht, dieses Ziehen in Knien, dieses Kribbeln in der Ferse, wie es pumpt im Nacken, wie es brodelt im Bauch, ich glaub, ich krieg die Wut, der Maul ist im Anmarsch.

Durchatmen, das Beben kontrollieren, ich bin ein Mädchen und die Sonne scheint und ich sage mir: Kakao, Kakao, Kakao. Denn wenn ich jetzt maultiere, kann es sein, dass ich die Wohnung zerlege, die biertrinkenden Männer in ihren blauen Anzügen durch das Vorgärtchen schleudere, die Hecken zerpflücke und schreie, dass die Bäume sich biegen, die Alarmanlagen der parkenden Autos anspringen, ihre Scheiben zerplatzen und meine Mutter später zu allen Nachbarn gehen muss und ihren erklären, dass ihre kleine Paulina eine Maulina ist, ein Mauldat, ein Maultant, und dass das eben manchmal passiert, aber nicht weiter schlimm ist und es absolut unnötig sei, die Polizei zu rufen.“

Von Zeile zu Zeile hört der Leser hier, wie der Text sich atemlos steigert, wie Autor und Illustratorin die Wut und den Dampf brodeln und zischen lassen, wie da gesprochene und erlebte Sprache in Textzeilen und Bilder umgewandelt werden. Die Textpassage hat nun auch den Namen der Titelheldin verraten: Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt von Finn-Ole Heinrich und Rán Flygenring erhält den Deutsch-Französischen Jugendliteraturpreis 2014.

Es ist die Geschichte eine Verlusts vom Auszug aus dem vertrauten Haus bis hin zum Tod der Mutter, die ihre Normalität solange wie möglich aufrecht erhält und ihrer Umwelt erst spät mitteilt, dass sie unheilbar krank ist: „Ich hab doch immer für alles Kraft, ich kann doch immer alles machen, ich bin stark und ich selbst und dann ... sitzt da ein Arzt und sagt dir, dass du schon bald nicht mehr laufen kannst. Dass du Hilfe brauchen wirst von allen Seiten. Dass du vielleicht bald nicht mehr richtig wirst sehen können, das alles.“

Ein ebenso komplexes wie kompliziertes Thema, das Heinrich da behutsam in Szene setzt, immer durchdrungen von heiteren, ironischen Passagen. Das Schwere mit Leichtigkeit zu erzählen, das kann der 1982 im schleswig-holsteinischen Henstedt-Ulzburg geborene und in Cuxhaven aufgewachsene Schriftsteller wortmächtig. Wann ist ein Autor – und hinzugefügt werden muss: auch ein Verlag – so mutig, im Kinderbuch den langsamen Tod der Mutter zu thematisieren, den fortschreitenden Zerfall ihres Körpers, das Versagen der Muskulatur, den immer kleiner werdenden Aktionsradius mit Rollstuhl, den sie einfallsreich zu durchbrechen sucht.

Maulina revoltiert in einer Mischung aus Optimismus und Selbstüberschätzung gegen diesen Schicksalsschlag: „Ich werde es allen zeigen, erst recht dieser Krankheit. Wette angenommen. Ich kann meine Mutter mit ein bisschen Übung auch vier Stockwerke hochschleppen.“

Sehr individuelle Charaktere zeichnet Finn-Ole Heinrich, den ruhigen Paul mit den sonnengelben Zähnen, so realistisch, dass wir sie übermorgen auf der Straße wiederzuerkennen glauben. Man merkt, dass er Filmregie in Hannover studiert hat, er nimmt rasante Kamerafahrten auf, zoomt ins Detail und schafft Erkenntnisse. Bevorzugt erzählt er in seinem Werk von Menschen, denen das Leben den Boden unter den Füßen wegzieht; allein die Schicksale in seinem Erzählband Gestern war auch schon ein Tag sind so augenaufreißend wie die unglaubliche Variationsbreite unterschiedlicher Erzählstile. Diese sprachliche Klaviatur beherrscht er meisterhaft, auch bei Maulina Schmitt erweist er sich als Sprachakrobat, spielt mit Wörtern, erfindet neue und treibt die Sätze mit einer solchen Heftigkeit über die Seiten, dass sie adäquat das Innen-leben der Protagonisten widerspiegeln.

Das Buch respektive die Bücher – denn der Stoff ist verteilt auf drei Bände – würde jedoch ohne Rán Flygenrings Bilder kaum die großartige Sogwirkung entfalten; temporeich treibt sie wie im Graphic-Novel-Bereich voran, komponiert Seite für Seite typografisch wie bildnerisch durch. Die 1987 in Oslo geborene und in Island aufgewachsene Künstlerin illustriert nicht, sondern erzählt eigenständig weiter. Hier haben sich zwei Kunstschaffende gefunden, um ein Werk aus einem Guß zu schaffen, und vermutlich ist der Anteil der Lektorin Natalie Tornai an diesem Guß auch nicht als gering einzuschätzen. Die Jury würdigt nicht nur den ersten Band Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt – Mein kaputtes Königreich, sondern sieht ihn in Zusammenhang mit dem gerade erschienenen zweiten Teil Ein sattes Herz sowie dem im Herbst erscheinenden Abschlusspart Welt im Wackeln.

Die Jury 2014

Nathalie BEAU | Paris

Géraldine ELSCHNER | Heidelberg

Bernard FRIOT | Besançon

Germaine GOETZINGER | Luxemburg

Alfred GULDEN | Saarlouis, München

Dr. Stefan HAUCK | Frankfurt

Charlotte LARAT | Strasbourg

Mathilde LÉVÊQUE | Paris

Tobias SCHEFFEL | Freiburg

Dr. Sikander SINGH | Saarbrücken

 

Mehr Informationen zur Jury  

 

Gaia Guasti

La tête dans les choux

Thierry Magnier | à partir de 9 ans

 

Gaia Guasti

G Guasti LaTete

„ Quelle belle aventure que l’installation dans un hameau ardéchois pour cette famille de Parisiens. Mais il y a tout apprendre de la nature et des habitants. Margotte observe avec humour sa nouvelle vie. “

Laudatio | Géraldine Elschner

Ode à la simplicité

La vie à la campagne fait bien rêver les parents de Margotte, et l’Ardèche le département idéal. C’est ainsi que la famille s’installe dans un hameau de dix-sept habitants, au grand ravissement de la mère qui découvre les charmes du jardinage et de la gelée de coings, tandis que Clairette, du haut de ses quatre ans, se révèle des aptitudes pour devenir une vraie sauvageonne (ah ! les délices du bain dans la rivière glacée !). Margotte, l’intellectuelle de la famille, la taiseuse, décrit de manière hilarante et distanciée de cette nouvelle vie. Trajet en car tous les matins sur les routes sinueuses, vomissements garantis, pour rejoindre le collège où se mêlent joyeusement néo et anciens ruraux, chacun reconnaissable à son prénom : Hélio, Eden, Aÿlel d’un côté, Jean-Christophe et Bernadette de l’autre. Vite, Margotte reconnaît seize habitants du hameau mais qui est la dixseptième personne et pourquoi se cache-t-elle ?

Cette chronique de la vie à la campagne est un hymne à la simplicité, et les travers des néoruraux sont épinglés avec beaucoup d’humour et de tendresse.

Et ce sont ces deux points en particulier qui ont séduit le jury. Un sourire aux lèvres à bien des endroits, le coeur qui se serre à d’autres… A la lecture, nous oscillons sans cesse entre légèreté et sérieux ce qui donne au livre sa force incontestable. Marginaux, «écolos », pré-adolescents en lutte contre eux-mêmes, chacun y trouve sa place dans un monde qui n‘est pas noir et blanc mais tout en nuances – grâce surtout à la petite Clairette, enfant pleine de fraîcheur et sans aucun a priori, qui se révèlera être un médiateur parfait entre tous les fronts. Alors merci à Gaia pour ce périple entre Rat des villes et Rat des champs. Il nous donne envie d‘aller planter des choux, ne serait-ce que dans un pot de fl eurs au beau milieu de l‘appartement, pour avoir le bonheur de les regarder pousser comme le papa de Margotte. Et plus ce sera long, mieux ce sera !

Il faut parfois avouer que la vie est bien faite.

Le froid s’était défi nitivement installé dans la vallée, lorsqu’un dimanche un cri m’a sortie de ma grasse matinée sous la couette.

- Ah ! Non ! C’est pas possible, ça !

Alarmée, je suis descendue dans la cuisine et j’ai trouvé ma mère en chemise de nuit, fi xant d’un regard assassin la caisse où elle avait consciencieusement stocké sa réserve de pâte de coing pour l’hiver. J’y ai jeté un oeil prudent. A la place de l’aliment orangé que m’était désormais familier, j’ai découvert des plaques verdâtres où se dessinaient des paysages de moisissures extraordinairement variés. Toute notre pâte de coing avait pourri.

Face au désastre, ma mère tremblait de colère. J’ai été tentée de lui rappeler que les champignons pouvaient revendiquer à juste titre une ancienneté sur Terre presque équivalente à celle des virus, mais son expression, où brillait la puissance de rogne d’antan, a suffi à me clouer le bec.

Elle a attrapé la caisse et ouvert la poubelle des déchets non diff érenciés à côté de l’évier. Aïe. Si elle en venait à oublier le compost, c’était plus grave que ce que j’avais imaginé. Elle allait y renverser sans pitié le fruit de tant d’eff orts lorsque mon père, qui avait rappliqué en pyjama, a bloqué son geste, le regard fi xe sur les infâmes moisissures.

- Fais pas ça !

J’ai immédiatement compris que nous arrivions à un tournant de notre existence.

- Tu as vu comme c’est beau ? On dirait un tableau, a murmuré papa, étrangement langoureux. J’ai su à cet instant que mon père voyait à nouveau, que le monde autour de lui retrouvait ses couleurs, sa brillance, sa netteté, ne serait-ce que pour transformer en peintures sublimes un amas de microorganismes aguerris. Après s’être cherché en vain parmi les tubercules et les plantes potagères, mon père venait de se découvrir un regard d’artiste.

- Beau ? a râlé ma mère. Tu trouves ça beau, ce gâchis ?

Tandis que ma mère rouspétait à tout-va, mon père, imperturbable, a attrapé le téléphone.

- Daniel ? Ça va, ça va. Ça va très bien même. Au fait. Il faut que je récupère ma caméra.

Direct, sans hésitation, sous les yeux incrédules de ma mère. Elle a râlé encore plus fort, il a continué à regarder. Clairette est descendue à son tour, en bâillant avec sa charmante petite bouche en coeur.

J’en aurais pleuré de joie.

Die Jury 2014

Nathalie BEAU | Paris

Géraldine ELSCHNER | Heidelberg

Bernard FRIOT | Besançon

Germaine GOETZINGER | Luxemburg

Alfred GULDEN | Saarlouis, München

Dr. Stefan HAUCK | Frankfurt

Charlotte LARAT | Strasbourg

Mathilde LÉVÊQUE | Paris

Tobias SCHEFFEL | Freiburg

Dr. Sikander SINGH | Saarbrücken

 

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